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01. Januar 2014

Zukunft der Erwachsenenbildung

Vor dem Hintergrund der Ergebnisse der PIAAC-Studie, die Deutschland im internationalen Vergleich im Mittelfeld platzieren und im Inland die Bildungsbeteiligung in großer Abhängigkeit vom sozialen Status zu erkennen geben, besteht enormer Handlungsbedarf für die Politik in Bund, Land und Kommunen.

Der Bayerische Volkshochschulverband stellt mit Blick auf eine Novellierung des Bayerischen Erwachsenenbildungsförderungsgesetzes (BayEbFöG) fest:

1. Definition Erwachsenenbildung
Erwachsenenbildung verfolgt das Ziel, zur Selbstverantwortung und Selbstbestimmung der Menschen sowie zur sozialen und gesellschaftlichen Integration beizutragen. Das Programm umfasst allgemeine, berufsbezogene, sprachliche, gesundheitsbezogene, kulturelle, politische und ethische Bildungsangebote. Diese Angebote geben Gelegenheit, die in der Schule, in der Hochschule oder in der Berufsausbildung erworbene Bildung zu vertiefen, zu erneuern und zu erweitern sowie Bildung nachzuholen. Erwachsenenbildung ermöglicht den Erwerb von zusätzlichen Kenntnissen, Fähigkeiten und Schlüsselqualifikationen, fördert die Lern-, Urteils- und Entscheidungsfähigkeit und befähigt zu einem besseren Verständnis alltagspraktischer, gesellschaftlicher und politischer Vorgänge als Voraussetzung eigenen verantwortungsbewussten Handelns.

2. Bildung in öffentlicher Verantwortung
Die Volkshochschulen stellen eine flächendeckende Versorgung mit Angeboten zur Erwachsenenbildung für Bürgerinnen und Bürger jeden Alters und jeglicher Herkunft dar. Dabei gehören parteipolitische Neutralität sowie konfessionelle und weltanschauliche Unabhängigkeit zum Selbstverständnis der Volkshochschulen. Die Volkshochschulen sprechen mit spezifischen Angeboten auch solche Zielgruppen an, die nicht von sich aus den Weg in die Bildungseinrichtung finden. Für den Freistaat stellen die staatlich anerkannten Landesorganisationen der Erwachsenenbildung die vierte Säule der Bildung neben Schule, Hochschule und Berufsausbildung dar. Zu garantieren ist ein gleichwertiges Weiterbildungsprogramm in allen Landesteilen.

3. Pluralität der Anbieter
Wenngleich die bayerischen Volkshochschulen mit ihrem eigenen Angebot über ein sehr großes Spektrum an Bildungsangeboten mit jährlich ca. 3 Millionen Belegungen verfügen, erreichen sie dennoch nicht alle. Die Volkshochschulen werden weitere Anstrengungen unternehmen, die Weiterbildungsbeteiligung zu erhöhen. Zusammen mit anderen Anbietern, die definierte qualitative und quantitative Kriterien erfüllen, die landesweit tätig und gemeinnützig sind, stellen die Volkshochschulen der Bevölkerung ihr Angebot zur Verfügung. Die Realisierung eines möglichst großen und vielfältigen Angebotsspektrums bildet eine wichtige Voraussetzung dafür, dass die Weiterbildungsbeteiligung gesteigert werden kann.

4. Verlässlichkeit und Aktualität des Angebots
Im Sinne einer dauerhaften Beauftragung der Träger der Erwachsenenbildung muss deren Angebot eine hohe Verlässlichkeit aufweisen. Vor dem Hintergrund der ständig wachsenden Anforderungen und Erwartungen der vorhandenen und der potentiellen Teilnehmerinnen und Teilnehmer muss das Angebot aber auch immer aktuell sein und innovativ weiterentwickelt werden. Dies betrifft die Inhalte, die pädagogische Aufbereitung (damit auch die Qualität der Kursleiterinnen und Kursleiter), die Lernorganisationsformen, den didaktisch-methodischen Zugang, die Modalitäten der Anmeldung, die Form der Bezahlung, die räumlichen Gegebenheiten für die Umsetzung der Angebote und die Kunden-Kommunikation. Die Grundform des Angebots bleibt die Präsenzveranstaltung; diese wird jedoch in steigendem Umfang durch medial unterstützte Lernformen in unterschiedlichster Ausprägung ergänzt.

5. Einbindung in regionale Bildungslandschaften
Die Volkshochschulen stellen einen wichtigen Standortfaktor in ihrer Region dar. Über die Zusammenarbeit mit natürlichen Partnern wie z.B. den öffentlichen Bibliotheken hinaus kooperieren sie mit anderen Kultur-, Bildungs- und Sozialeinrichtungen sowie der Wirtschaft. Im Sinne erfolgreicher Regionalentwicklung und gezielter Strukturförderung sind sie Mitglied, oft auch selber der Initiator und Koordinator intensiver lokaler und regionaler Netzwerke. Die seitens des Staates initiierten Bildungsregionen stellen bislang noch weitgehend ein schulisches Angebot zusammen. Sie müssen um die Angebote der Erwachsenenbildung erweitert und mit einem adäquaten Budget ausgestattet werden.

6. Infrastrukturelle Voraussetzung
Die Einrichtungen der Erwachsenenbildung brauchen in einem hohen Umfang Räume, über deren Nutzung sie alleine oder zumindest in weitgehender Autonomie verfügen. Die Nutzung von Schulräumen ist abzulösen, weil sich die Volkshochschulangebote immer weniger auf den Nachmittag und Abend beziehen und die Schule sich immer weniger auf den Vormittag beschränkt. Die Sichtbarkeit eines zentralen Gebäudes im Zentrum der Kommune oder Region mit geeigneten Räumen und einer adäquaten technischen Ausstattung als Anlaufstelle für Information, Kommunikation, Beratung, Begegnung und Aktionen aller Art setzt darüber hinaus den Akzent für die Volkshochschule als das kommunale Bildungszentrum – sichtbar, erfahrbar, offen und gut erreichbar für alle.

7. Beratung
Es darf angenommen werden, dass eine individuelle Beratung die Wahrscheinlichkeit für die „richtige“ Auswahl unter den Bildungsangeboten erheblich steigert. Beratung sollte trägerübergreifend stattfinden. Im Rahmen des Bundesprogramms zur sog. Prämienberatung wurden die Volkshochschulen als Träger übergreifende Beratungseinrichtungen anerkannt. Die Beratung ist mit erheblichem personellem Aufwand verbunden, der öffentlich gefördert werden muss.

8. Qualitätssicherung und -entwicklung
Die effiziente Verwendung öffentlicher Mittel, die steigenden Kundenerwartungen und nicht zuletzt das Selbstverständnis der Volkshochschulen erfordert von den Einrichtungen ein verlässliches Qualitätsmanagement mit dem Ziel, eine exzellente Qualität in der Durchführung ihres Angebots zu erreichen und zu erhalten. Die Anwendung eines überregional anerkannten Qualitätsmanagement-Systems und eine regelmäßige externe Bewertung der Einrichtung sind unabdingbar. Die Förderfähigkeit einer Einrichtung sollte daran grundsätzlich gekoppelt werden.

9. Leistungsfähige Strukturen und Professionalisierung
Die Volkshochschulen verfügen über eine sehr unterschiedliche Infrastruktur und Größe. Freistaat und Kommunen müssen dafür sorgen, dass Voraussetzungen geschaffen werden, unter denen sich Einrichtungen und Kooperationsverbünde ausreichender Größe bilden können, die den aktuellen und zukünftigen Herausforderungen gerecht werden können. Um die handelnden Personen in die Lage zu versetzen, ihrem Auftrag nachzukommen, sind die hauptberuflichen Kräfte und freiberuflichen Dozentinnen und Dozenten systematisch fortzubilden. Die dadurch entstehende hohe Qualität im Kursgeschehen bedarf einer angemessenen Honorierung.

10. Staatliche Finanzierung
Die Beauftragung der staatlich anerkannten Landesorganisationen und Träger der Erwachsenenbildung muss eine adäquate finanzielle Ausstattung zur Folge haben. Wenn die Weiterbildungsbeteiligung gesteigert, die dazu notwendige Gewinnung und Beratung von Bürgerinnen und Bürgern geleistet, das Programm in Hinblick auf die gesellschaftlichen Herausforderungen wie die demographische Entwicklung, die Förderung des Fachkräftepotentials und die soziale Integration geleistet werden soll, dann bedarf es einer erheblich höheren Landesförderung, als dies bisher der Fall ist. Der Anteil der staatlichen Finanzierung am Gesamtbudget der Volkshochschulen sollte (ausgehend von derzeit durchschnittlich 6,3 Prozent) mittelfristig auf den Bundesdurchschnitt von 13,9 % gesteigert werden. Dazu müssen die Mittel für die Volkshochschulen in der Legislaturperiode 2013 bis 2018 von derzeit 11 Mio. € mindestens verdoppelt werden. Nur mit einer stabilen Grundausstattung sind die Volkshochschulen in der Lage, Drittmittel auf EU- und Bundesebene zu akquirieren sowie Landesprojekte und -Programme für besondere Aufgaben und spezielle Zielgruppen adäquat umzusetzen.

11. Förderkriterien
Nach einer langen Periode unzulänglicher staatlicher Finanzierung sind auch die derzeit geltenden Förderkriterien zu überdenken. Damit verbunden muss in geeigneter Form die Bildungsberatung gefördert werden. Die Förderkriterien dürfen des Weiteren innovative Lehr- und Lernformen wie z.B. blended-learning Lernarrangements nicht behindern. Neben dieser Form der Finanzierung von Aufwand und Leistung ist zur Förderung der Raumsituation ein Infrastrukturprogramm aufzulegen.
Ansprechpartner
Dr. Regine Sgodda
Tel: +49 89 510 80 11
Dr. Christian Hörmann
Tel: +49 89 510 80 10